Provenienzforschung im Oberhausmuseum
„Provenienz“ bedeutet „Herkunft“. Provenienzforschung beschäftigt sich dementsprechend mit der Herkunft von Dingen, in unserem Fall der Sammlung des Oberhausmuseums. Das Haus wurde 1932 gegründet und besaß bis 1933 schon rund 1.000 Objekte, die größtenteils aus der Vorgängerinstitution, dem städtischen Museum im Alten Rathaus stammten.
In der Zeit des Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1945 wurden weitere 1.400 Objekte erworben. Hier ist in vielen Fällen nicht klar, woher die Gegenstände stammen. Für ein Museum ist es aber äußerst wichtig zu wissen, was sich in der Sammlung befindet. Zur NS-Zeit wurden vor allem jüdische Menschen entrechtet und um ihr Eigentum gebracht. Das heißt, Dinge, die vor 1945 erworben wurden, könnten ehemals jüdischer Besitz sein. Es ist dem Oberhausmuseum wichtig zu klären, woher der Sammlungsbestand genau stammt. Falls sich verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut in unseren Depots befindet, haben wir eine ethisch-moralische Verpflichtung, diese Güter zu restituieren oder uns um einen gerechten und fairen Ausgleich zu bemühen.
Die Inventareinträge der 1.400 Objekte, die zwischen 1933 und 1945 ins Museum gekommen sind, werden in einem zweijährigen Projekt einer Revision unterzogen. Diese zentrale Vorarbeit war aufgrund der nicht vorhandenen personellen und finanziellen Ressourcen bisher noch nicht leistbar.
Auch die örtliche NS-Geschichte, ihre Akteure und das Schicksal der Verfolgten sind bis heute nur rudimentär aufgearbeitet. Nach 1933 kam es zu „Arisierungen“, Haushaltsauflösungen von jüdischem Eigentum und Hausverkäufen. Inwieweit profitierte das Museum davon? Wer waren die Opfer? Die systematische Untersuchung der Objekterwerbungen zwischen 1933 und 1945 kann also auch einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der jüdischen Gemeinde nach 1933 in Passau sowie zur NS-Ortsgeschichte leisten.
In einem sogenannten Erstcheck der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern, der 2020 und 2021 durchgeführt wurde, konnten bereits erste Objekte identifiziert werden, deren Herkunft problematisch ist. So wurden zum Beispiel einige Objekte bei Münchner Auktionshäusern ersteigert, von denen heute bekannt ist, dass sie mit sogenannter „NS-Raubkunst“ handelten – also Gegenstände, die zum Beispiel von jüdischen Einlieferern stammten, die ihre Sammlungen unter Druck verkaufen mussten.
Zusätzlich gibt es einen Bestand von 68 Objekten (22 Gemälde, 46 Grafiken), der 1946 zunächst von den US-Militärbehörden in Passau beschlagnahmt und in den Central Collecting Point (CCP) nach München verbracht wurde. An verschiedenen Central Collecting Points, die sich unter anderem in Wiesbaden, Marburg, Offenbach und Celle befanden, wurden von den Alliierten Kunstgegenstände gesammelt, die von den Nationalsozialisten in Schlösser, Burgen oder Bergwerkstollen ausgelagert worden waren, um sie vor Bombenangriffen zu schützen. Dabei handelte es sich einerseits um Bestände deutscher Museen, aber auch um tausende von Objekten, die vom NS-Staat sowohl im Deutschen Reich, zum Beispiel von emigrierten oder deportierten Menschen, als auch in den besetzten Gebieten gestohlen wurden. Vom CCP aus wurde der Großteil dieser Gegenstände wieder an die rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben.
Bis heute gilt es aber als ungeklärt, wie die 68 oben genannten Objekte in den Besitz der Stadt Passau gelangten. Die Gemälde und Grafiken sind in der Datenbank Lost Art gelistet, sodass zwei Gemälde im Sommer 2023 ihren rechtmäßigen Eigentümern in Frankreich zurückgegeben werden konnten.
Das Projekt wird von der Stadt Passau, der Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern sowie dem Deutschen Zentrum Kulturgutverluste finanziert. Während der zweijährigen Laufzeit des Projekts finden begleitende Veranstaltungen statt, und nach Abschluss der Recherchen wird es eine Sonderausstellung zu den Ergebnissen im Oberhausmuseum geben. Zusätzlich wird in der Datenbank Proveana, die Ergebnisse der vom Zentrum geförderten Forschungsprojekte dokumentiert, ein ausführlicher Abschlussbericht zu finden sein.
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